Wie die Kriterien für die Vergabe von Grundstücken nach dem besten Konzept entstehen, war bislang intransparent. Ein zivilgesellschaftlicher Beirat soll nun mehr Transparenz beim zuständigen Steuerungsausschusses innerhalb der Verwaltung bringen und zudem Wissenstransfer aus der Zivilgesellschaft in die Verwaltung ermöglichen. Nach der Einsetzung bestehen aber noch Herausforderungen – sowohl strukturell als auch juristisch.
von der Magazin Redaktion StadtNeudenken
Foto: Christof Mayer, raumlaborberlin
Konzeptverfahren erlauben es, kommunale Grundstücke nicht an die Höchstbietenden, sondern an diejenigen mit dem besten Konzept zur Nutzung zu übergeben. Der gebotene Preis spielt, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle und kann somit für gemeinwohlorientierte Immobilienentwickler:innen eine echte Chance sein: Zielgruppen für diese Verfahren sind Genossenschaften, Baugruppen, soziale Träger, Vereine, Stiftungen und andere alternative Träger. Aus diesem Grund war das Instrument Konzeptverfahren seit Gründung der Initiative StadtNeudenken ein wichtiges Thema und eine Forderung für eine stärker gemeinwohl- statt profitorientierte Stadtentwicklung.
In Berlin sind Konzeptverfahren komplexe, mehrstufige Vergabeverfahren, welche von landeseigenen Unternehmen – in der Regel von der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) – durchgeführt werden. Landeseigene Grundstücke werden darin öffentlich ausgeschrieben, um für das Land Berlin gleichzeitig soziale, ökologische, kulturelle, wirtschaftliche und/oder stadtentwicklungspolitische Ziele auf diesen Grundstücken zu erreichen.
Aufgabe und Besetzung des Steuerungsausschusses
Doch wer legt diese Ziele, die Gewichtung der Bewertungskriterien und die inhaltlichen Anforderungen an die Ausschreibung der Grundstücke fest? Dies passiert in einem ressortübergreifenden, verwaltungsinternen Gremium, dem Steuerungsausschuss für Konzeptverfahren (SteA).
Bevor ein Baugrundstück überhaupt vergeben werden kann, durchläuft es den Portfolioausschuss, wo Grundstücke in verschiedene Kategorien eingeteilt werden („Clusterung“). Nur wenn das Grundstück nicht von der öffentlichen Hand (Bezirk oder Fachverwaltungen des Landes) selbst benötigt wird, kann eine „Entwicklungsperspektive“ festgestellt werden, was den Weg für die Vergabe in Konzeptverfahren ebnet. Dann legt der Steuerungsausschuss für Konzeptverfahren die inhaltlichen Anforderungen an die Ausschreibung fest.
Der Steuerungsausschuss ist mit Vertreter:innen der Berliner Verwaltungen besetzt. Er besteht aus ständigen und nicht-ständigen Mitgliedern. Die festen Mitglieder umfassen jeweils eine:n benannte:n Vertreter:in der BIM GmbH, der Senatsverwaltungen für Finanzen; für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen; für Wirtschaft, Technologie und Forschung, sowie der Senatskanzlei. Die nicht-ständigen Mitglieder sind Vertreter:innen der betroffenen Bezirke, je nach Lage der Grundstücke, und andere betroffene Senatsverwaltungen wie z. B. die Kulturverwaltung.
Problem des Steuerungsausschusses und Ziel des Beirats
Es ist wichtig anzumerken, dass dieses Verfahren und die Zusammensetzung des Ausschusses für die Öffentlichkeit bislang nicht transparent sind und ohne öffentliche Beteiligung stattfinden. Zusätzlich wird die Fachkenntnis zivilgesellschaftlicher Akteur:innen und Genossenschaften bei der Festlegung der Bewertungskriterien für die Konzeptverfahren bisher nicht ausreichend berücksichtigt, obwohl diese Gruppen die Hauptzielgruppe des Verfahrens darstellen.
Schon 2019 fand die erste Werkstatt Konzeptverfahren statt, in der verschiedene Forderungen mit dem Blick auf ein zielgenaues und leistbares Konzeptverfahren für Berlin gestellt wurden. Eine davon war die Einbeziehung der Zivilgesellschaft in diesen Prozess. Auch ein Planspiel, das durch die neu geschaffene Koordinierungsstelle Konzeptverfahren[1] (Stattbau) 2023 durchgeführt wurde, legte noch deutliche Mängel des Bewertungsverfahrens in Berlin offen. In Kooperation mit der Senatsverwaltung für Finanzen konnte schließlich der zivilgesellschaftliche Beirat des Steuerungsausschusses Konzeptverfahren – kurz: Konzeptverfahren-Beirat – auf den Weg gebracht werden.
Dieser soll nun Transparenz schaffen, indem er die monatlichen Treffen des Steuerungsausschusses begleitet und dem Runden Tisch Liegenschaftspolitik regelmäßig berichtet. Andererseits soll er die Interessen der Zivilgesellschaft im Ausschuss vertreten und Wissenstransfer in Richtung der Verwaltung und der BIM gewährleisten.
Schema der Arbeitsweise des Konzeptverfahren-Beirats. Grafik: Koordinierungsstelle Runder Tisch Liegenschaftspolitik
Noch bestehen Herausforderungen für den Konzeptverfahren-Beirat
Trotz dieses Meilensteins für die Transparenz der Berliner Liegenschaftspolitik bleiben noch einige Herausforderungen zu bewältigen, denn der Beirat ist noch nicht arbeitsfähig. Eine große strukturelle Herausforderung betrifft die Finanzierung der Arbeit des Beirats (Geschäftsstelle sowie der Aufwandsentschädigungen) für die Beirät:innen. Die Mitglieder des Beirats haben derzeit noch keine Unterstützung, um ihre Arbeit zu koordinieren, die Sitzungen vorzubereiten und gemeinsame Sitzungen durchzuführen. Ehrenamtlich ist dies bei der Einbindung in andere Verpflichtungen nicht zusätzlich leistbar – und war so auch nie geplant. Der Beirat verfasste daraufhin einen offenen Brief, der bisher wirkungslos blieb. Eine Finanzierung des Beirats ist bislang nicht gesichert und für die weitere Tätigkeit unbedingt erforderlich.
Fußnoten
[1] Auch die Einrichtung der Koordinierungsstelle Konzeptverfahren ist die Umsetzung einer Forderung aus der Werkstatt Konzeptverfahren 2019.
Die Beiratsmitglieder
Kontakt zum Beirat
Laura Bertelt (oben links)
Laura Margarete Bertelt, 28 Jahre alt, ist studierte Architektin. Aktuell vertieft sie ihr Interesse an demokratischen (Planungs-)Prozessen im postgradualen Master Urbanistik an der Bauhaus-Uni Weimar, den sie dieses Jahr abschließt. Laura versteht Raumproduktion als politischen Gestaltungsraum und setzt dieses Verständnis durch Mitarbeit an verschiedenen Projekten und im Rahmen der Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« um. Aktuell beforscht sie an der TU Berlin nachhaltige Quartiersentwicklung in Berliner Kiezen. Laura arbeite in verschiedenen Formaten und Kollaborationen an Workshops und Diskursformaten rund um die Themen Wohnraumproduktion, Bauwende und feministischer Stadtplanung mit.
Im letzten Jahr war sie Mitglied des Planungsteams am Haus der Statistik und sammelte Erfahrungen in Mitwirkungsformaten und demokratischen Planungsprozessen. Diese Erfahrung hat ihr gezeigt, dass vielfältige Meinungen die Planungsqualität steigern und zu einer transparenten und fairen Stadtentwicklung beitragen. Laura ist bestrebt, dieses Verständnis über das aktuelle Projekt hinaus auf andere Bereiche zu übertragen. Dabei ist es ihr wichtig, dass Prozesse regelmäßig kritisch hinterfragt werden und man nicht davor zurückschreckt, etablierte Pfade zu verlassen. Das gemeinsame Ziel sollte eine transparente und faire Stadtentwicklung sein, die Berlin verdient.
Ulrike Damerau (oben mittig)
Ulrike wurde 1989 in Rostock geboren. Nach ihrer Berufsausbildung als Buchhändlerin studierte sie Stadtplanung und sammelte Erfahrungen in verschiedenen institutionellen Bereichen, darunter Forschung, freiberufliche Tätigkeit, Stadtentwicklungsamt und Verbandsarbeit. Ihren Master-Abschluss mit dem Schwerpunkt Urban Design und Urban and Financial Policy hat sie in Belgien erworben. Bei der AKS Gemeinwohl konzentriert sich ihre Aufgabe auf die Beratung und Vermittlung im Bereich der gemeinwohlorientierten Immobilienentwicklung, insbesondere zwischen der organisierten Zivilgesellschaft, der Verwaltung und der Politik.
Als Beiratsmitglied will sie konsequenterweise die Standpunkte der stadt- und mietenpolitischen Initiativen und Gruppen verstärken sowie an einer überzeugenden und transparenten Umsetzung städtischer Liegenschaftspolitik mitwirken.
Sie legt besonderen Wert auf die Berücksichtigung unterrepräsentierter und unterdrückter Personengruppen in Bewerbungen und Konzepten. Ebenso möchte sie Gruppen, die aufgrund ihrer Rechtsform von öffentlichen Fördermöglichkeiten ausgeschlossen sind, besonders unterstützen und stärken.
Ulrike Hamann-Onnertz (oben rechts)
Ulrike Hamann-Onnertz ist 49 Jahre, hat Metallbauerin gelernt und Kulturwissenschaften und europäische Ethnologie studiert. Promoviert in der Politikwissenschaft hat sie Forschungsprojekte im Themenbereich Stadt und Migration geleitet. Seit 2011 ist sie in der Mietenbewegung aktiv und ist unter anderem Mitbegründerin der Mieter:inneninitiative Kotti & Co sowie Mitorganisatorin des Mietenvolksentscheids (2015).
Von 2020 bis 2022 bekleidete sie das Amt der Vorständin der Wohnraumversorgung Berlin AöR und ist seit 2022 Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins. In ihrer Rolle im Beirat vertritt sie die Perspektive der Mieter:innen.
Ihr Engagement im Beirat beruht auf der Überzeugung, dass Boden ein begrenztes Gut ist. Die Vergabe von landeseigenen Flächen sollte zur Lösung städtischer Probleme beitragen, anstatt sie zu verschärfen. Dazu gehört aus ihrer Sicht die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum für jene, die sich auf dem überhitzten Immobilienmarkt nicht angemessen versorgen können. Ebenso sind städtische Grundstücke für die Schaffung bezahlbarer Mieten für soziale Infrastruktur unerlässlich.
Als Sozialwissenschaftlerin kann sie den Bedarf an verschiedenen Formen von Wohn- und Gewerberäumen einschätzen und als Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins sieht sie die Bedürfnisse von Mieter:innen, die derzeit Wohnraum aufgrund auslaufender Sozialbindungen oder Abriss verlieren. Sie legt daher großen Wert auf soziale Verträglichkeit in den Konzeptverfahren.
Susanne Jahn (unten links)
Susanne ist 62 Jahre alt und verfügt über einen Abschluss in Soziologie von der FU Berlin sowie einen Master-Abschluss in Planungsstudien von der Universität Newcastle upon Tyne. Sie war bis 2020 am WZB für Sozialforschung in Berlin tätig und arbeitete von 1988 bis 2020 sowohl in Anstellungen als Stadtplanerin als auch in eigenen Büros (AGS – Arbeitsgruppe für Stadtplanung und JMP – Architektur und Stadtplanung).
Seit 2021 ist sie als unabhängige Beraterin tätig. In den letzten 35 Jahren hat sie eine Vielzahl von Aufträgen für das Land Berlin, seine Bezirke, das Land Brandenburg und verschiedene Kommunen durchgeführt. Sie ist seit 1992 in der Planerliste der Architektenkammer Berlin eingetragen. Zusätzlich ist sie seit 1990 Mitglied der SRL e. V. (Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung) und gehört seit 2019 dem Vorstand an, den sie seit 2022 leitet.
Sie ist Mitglied von Bündnis90/Die Grünen bzw. Alternative Liste Berlin seit 1990 und war von 1994 bis 1997 im Landesvorstand Berlin aktiv. Seit 2015 ist sie unter anderem Sprecherin der Landesarbeitsgemeinschaft Bauen und Planen. Darüber hinaus ist sie seit 2005 im Verwaltungsrat des Studierendenwerks und war von 1996 bis 2002 Mitglied der genossenschaftlichen Vertreterversammlung der Ökobank. Sie war von 1995 bis 2008 Vorstandsmitglied des Bildungswerks Biwak e. V. und ist Mitglied der Stiftung Zukunft Berlin.
Seit 2018 ist sie Mitglied der Vorbereitungsgruppe einer Werkstatt zum Konzeptverfahren, die eine Arbeitsgruppe des Runden Tisches Liegenschaftspolitik ist. Anschließend war sie in der AG Konzeptverfahren aktiv, die darauf abzielte, die Workshop-Ergebnisse in ein Konzeptverfahren für Berlin umzusetzen.
Während dieser Zeit war sie maßgeblich an der Entwicklung der Strukturen des Beirats und des Verfahrens beteiligt. Sie freut sich darauf, diese Entwicklungen gemeinsam mit den anderen gewählten Mitgliedern umzusetzen.
Ihr liegt besonders daran, die Verbindung zur Zivilgesellschaft über den Runden Tisch Liegenschaftspolitik aufrechtzuerhalten und eine neue Zusammenarbeit zwischen Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft zu fördern, um gemeinsam verantwortungsvoll mit dem Boden des Landes Berlin umzugehen. Bestehende Beteiligungsformen sollen zu einer transparenten Stadtentwicklung führen, auch in Bezug auf die Liegenschaften.
Sie setzt sich dafür ein, das hoheitliche Planungsrecht und die Bodenpolitik der Gemeinde unter Einbeziehung eines Bürgerinnengremiums aktiv zu nutzen.
Narges Lankarani (unten mittig)
Narges ist 52 Jahre alt und stammt aus einer Familie mit deutsch-iranischen Wurzeln. Sie wurde in Teheran geboren und wuchs in einem politisch und sozial engagierten sowie kreativen Umfeld auf; schon als Kind verbrachte sie viel Zeit auf Baustellen ihres Vaters, einem begabten Literaten und Architekten. Baukunst und architektonisches Verständnis wurden so Teil ihrer DNA. Seit 1984 lebt sie in Berlin, wo sie an der Freien Universität studiert und seit frühester Jugend auch in der Projektentwicklung gearbeitet hat. Ihren akademischen Hintergrund bilden Wirtschaft und Geographie, wobei ihr Schwerpunkt auf sozialer Stadtforschung, Gender- und Entwicklungsforschung lag und weiterhin liegt.
Sie hat eine Leidenschaft dafür, sinnvolle Konzepte für die städtische Nutzung zu begleiten und bei ihrer Umsetzung zu unterstützen. In ihrer langjährigen Rolle als Koordinatorin der Gebietsvertretung im Sanierungsbeirat der Südlichen Friedrichstadt war sie beispielsweise intensiv in das Konzeptverfahren und die darauffolgende Umsetzung am ehemaligen Blumengroßmarkt eingebunden. Sie legt großen Wert darauf, dass Konzeptverfahren weiterhin dazu beitragen, landeseigene Grundstücke in Berlin nachhaltiger, kreativer und sozialer zu gestalten. Ihre holistische Denkweise, die langjährige praktische Erfahrung in Baukostenplanung, Umgang mit begrenzten Ressourcen, ihr solides Wissen über HOAI, Vergabe- und Grundstücksrecht gepaart mit einem tiefen architektonischen Verständnis, sowie ihre sehr guten Kenntnisse der Berliner Verhältnisse und ihre Erfahrung in der Zusammenarbeit mit der Verwaltung, bilden eine solide Grundlage für ihre Mitwirkung bei der Entwicklung und Bewertung innovativer Neubaukonzepte im Beirat. Narges arbeitet seit vielen Jahren erfolgreich selbstständig als Baubetreuerin im Bereich Altbausanierung sowie als Hausverwalterin. Seit 20 Jahren lebt sie mit ihrer Lebensgefährtin in einer Patchworkfamilie.
Jürgen Zschornack (unten rechts)
Nach dem Abschluss seines Architekturstudiums an der TU Berlin und TU München war Jürgen fast vierzig Jahre lang als Architekt in München tätig, zuletzt als Geschäftsführer und Gesellschafter von Koch+Partner Architekten und Stadtplanern. Im Jahr 2020, im Alter von 64 Jahren, übergab er die Geschäftsführung und widmet sich seitdem verstärkt der Beratung und Unterstützung junger Architekturbüros in Berlin. Er hat seinen ersten Wohnsitz in Berlin und kümmert sich um seine Enkelkinder.
Dadurch, dass er die Perspektiven und Bedürfnisse unterschiedlicher Generationen sowie verschiedene Herangehensweisen und Strategien außerhalb Berlins kennt, möchte er wertvolle Erfahrungen in den Beirat einbringen.
Jürgen verfügt seit Jahrzehnten über umfangreiche Erfahrungen in verschiedenen Planungsverfahren. Hierzu gehören die Teilnahme an Wettbewerbsverfahren, die Erstellung von Konzeptstudien für öffentliche und private Auftraggeber sowie die Beteiligung an den gängigen Verhandlungsverfahren, die derzeit in der Praxis angewendet werden.
In seiner Rolle als Mitglied des Beirats würde er besonderen Wert darauf legen, sicherzustellen, dass die Vorgehensweise und die erforderlichen Entscheidungsschritte zielorientiert sind und keine unnötigen Umwege gemacht werden.