Die Hausgemeinschaft im Rudolfkiez befindet sich im Wandel: Die Immobilie soll saniert werden und damit einhergehend soll die aktuelle Mietergemeinschaft gesichert werden. Am 33. Runden Tisch konnten gute Aussichten für das Projekt festgestellt werden.
Forderung
Gewachsene Hausstrukturen schützen und zukunftsfähig ausbauen
So wenig sanieren wie möglich, so viel wie nötig!
Gewachsene Hausstrukturen und ihre Verankerung in der Nachbarschaft schützen und für die Zukunftsperspektive ausbaufähig machen!
Bezahlbare Mieten, langfristige Mietverträge und Bestandsschutz für Wohn- und Gewerbemieter*innen sichern!
Hintergrund
Wer wir sind
Wir sind eine gewachsene Hausgemeinschaft mit sozialen Bindungen, hoher Kontinuität und Bestandskraft. Wir sind politische, soziale und künstlerische Initiativen und Firmen, Handwerker:innen und Kreative, Therapeut:innen, Familien und Wohngemeinschaften. Auf unseren Fluren entstehen Kooperationen, Freundschaften und Nachbarschaftsinitiativen. Wir sind solidarisch, gemeinschaftlich, offen, selbstbestimmt, partizipativ, kritisch, verantwortungsbewusst, kreativ, gestaltend … und mit dem Kiez verbunden.
Nach der Wende hat sich im Betriebsärztehaus des ehemaligen VEB Berliner Glühlampenwerks „Rosa Luxemburg“, Eckhaus Rudolfstraße/Lehmbruckstraße, eine besondere multikulturelle Nutzungsstruktur mit 20 Bewohner:innen und etwa 60 freien Klein- und Kleinstgewerbetreibenden entwickelt. Hier wird gemeinsam gelebt und gearbeitet. Hier wohnen größtenteils Mieter:innen, die auf für sie bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind: junge Familien, Alleinerziehende, Arbeiter:innen und Studierende. Hier üben wir verschiedene Gewerbe aus: bildende, darstellende und angewandte Künstler:innen und Existenzgründer:innen aus kreativen Berufen, aus dem Bildungsbereich und der Friedenspolitik sowie Anbieter:innen psychotherapeutischer Grundversorgung. Viele von uns sind schon seit Langem hier und auf unterschiedlichste Weise mit dem Stadtteil verbunden. Mittlerweile haben hier auch Gewerbetreibende Platz gefunden, die andernorts im Bezirk durch spekulative Geschäftsmodelle verdrängt wurden. Die gute Vernetzung ermöglicht Kooperation, Austausch, Stärkung der lokalen Wirtschaft und gegenseitige Hilfe weit über das Haus hinaus. Sie öffnet das Haus zugleich in den Kiez und bildet ein pluralistisches Gegenstück in Nachbarschaft zu hochpreisigen Gewerbe-Monokulturen (BASF, Blackrock-Oberbaumcity und zukünftigem Amazon-Tower).
Was wir vorhaben
Dieser Ist-Zustand bildet das Potenzial einer weitergehenden gezielten Entwicklung der Gebäude- und Nutzungsstruktur, die sich positiv auf die Nachbarschaft und den Bezirk auswirkt. Unser Ziel ist ein gemeinwohlorientiertes Gesamtkonzept, das beispielhaft vorlebt, wie Wohnen und Arbeiten im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zukünftig aussehen könnte. Mit dem Modellprojekt R11/L2 wollen wir einen Beitrag zu einer bedarfsgerechten und nachhaltigen Stadtentwicklung leisten. Zunächst möchten wir die Wohn- und Arbeitsnutzung in ihrer gewachsenen Form erhalten, indem wir das Haus auf Dauer dem kapitalrenditeorientierten Markt- und Gentrifizierungsgeschehen entziehen und behutsam sanieren. Zu diesem Zweck gründen wir eine Genossenschaft, die uns die Selbstverwaltung des Hauses durch eine sozial starke Nutzer:innenstruktur erlaubt. Die Nutzer:innen verpflichten sich, das Gebäude als Modellprojekt einer neuen „Kreuzberger Mischung“ in einem typischen Berliner Mietshaus zu entwickeln und die bereits bestehende Gemeinwohlorientierung der bisherigen Nutzung zu stärken und auszuweiten. In unserem Konzept zur Stadtrendite (s. Anhang) haben wir die konkreten Profite für die Allgemeinheit ausgearbeitet. Die vielfältigen Beziehungen des Zusammenlebens und -arbeitens im Haus sollen erhalten bleiben, während wir daneben neue Gestaltungsspielräume öffnen.
Warum wir das tun
Der Wandel der Stadt muss von denen gestaltet werden, die hier leben und arbeiten. Dazu bedarf es eines besonderen Schutzes. Wir betrachten die über Jahre hinweg gewachsene Nutzungsstruktur unseres Hauses und die daraus entstandenen Synergien als Chance, neue Formen des Zusammenlebens und -arbeitens in der Stadt modellhaft zu erproben und zu etablieren. Wir fordern bezahlbare Mieten, langfristige Mietverträge und Bestandsschutz für Wohn- und Gewerbemieter:innen. Durch bezahlbare Mieten macht das Projekt Freiheitsgrade für gesellschaftliches Engagement möglich und kann deutlich zur Erhöhung der Lebensqualität im Quartier beitragen.
Das Clusterungsverfahren
Was passiert jetzt?
Problemlage
Die anstehende, notwendige Sanierung der Immobilie soll bei fortlaufender Gewerbetätigkeit von Klein- und Kleinstunternehmen sowie Soloselbständigen (rund 60 Personen) und mit Berücksichtigung der 20 Wohnmieter:innen stattfinden. In Folge dessen und zur Sicherung der bestehenden Mieter:innen sollen moderate und langfristige Mietverträge ausgehandelt werden.
Perspektive und Gemeinwohlausrichtung
Die Mietergemeinschaft verpflichet sich zur Fortführung und Verstärkung Ihrer Gemeinwohorientierung und Einsatz im Quartier durch eine STADTRENDITE in Form von „Kiezstunden“.Diese sehen ehrenamtliches Engagement in Angeboten für die Nachbarschaft und die Stadt, Dienstleistungen zum reduzierten Stundensatz, die Bereitstellung von Räumen für Kreatives, Kultur und Selbsthilfe kostenlos oder zum Selbstkostenpreis sowie Praktikumsplätze vor.
Vorgehen
Wie am Runden Tisch berichtet, wird die geplante Übertragung der Liegenschaft an eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft rückabgewickelt. Stattdessen übernimmt die BIM federführend die nachhaltige Entwicklung und Sanierung der mischgenutzen Immobilie.
Gewünscht und geplant ist eine engmaschige Einbeziehung in den Planungsprozess der Berliner Immobilienmanagament GmbH (BIM), um die bestehende Selbstorganisation zukunftsfähig zu gestalten. Dabei hat sich die BIM im Rahmen des Runden Tisches am 8.11.2021 für eine Kooperation mit der Mietergemeinschaft offen gezeigt und befindet sich nach eigener Aussage in internen Verhandlungen, um die Sanierungskosten der Immobilie zu finanzieren. Es ist keine Luxus-Sanierung geplant.
Eingereicht durch:
Website: http://rudolf-lehmbruck.org/