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Urbane Optionsflächen: Studie zeigt Potenziale von Berliner „Restgrundstücken“

Fast jede:r weiß: Die meisten Grundstücke, die Berlin mal besaß, wurden in den Jahren knapper Kassen verkauft. Die Verkäufe wurden vor rund 10 Jahren überwiegend gestoppt, und die Konkurrenz um die letzten verbliebenen Flächen hat mit dem starken Wachstum der Stadt noch zugenommen. Welche Flächen gibt es noch, und wie ließen sich auch kleine, eher schwierige „Restgrundstücke“ noch gemeinwohlorientiert nutzen? Die Studie zu „Urbanen Optionsflächen“ bringt ein wenig Licht ins Dunkel der Liegenschaftsverwaltung.


von Martin Schwegmann



Foto: Christof Mayer, raumlaborberlin


Lange wurde das Wissen über die noch vorhandenen Grundstücke des Landes Berlin wie ein Staatsgeheimnis behandelt. Erst die Diskussionen des Runden Tischs Liegenschaftspolitik und der stadtpolitische Einsatz von Katalin Gennburg (Die LINKE) und Katrin Schmidberger (Bündnis 90/Grüne) und anderen machten die Studie „Urbane Optionsflächen“ möglich. Darin werden die sogenannten „Arrondierungs- und Splitterflächen“ für die Umsetzung innovativer Nutzungen untersucht. Die liegenschaftspolitische Studie wurde von raumlaborberlin, Prof. Christof Mayer und dem Atelierbeauftragten für Berlin, Dr. Martin Schwegmann, geleitet und mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen umgesetzt.

„Arrondierungs- und Splitterflächen“ sind eine Flächenkategorie im Land Berlin, die bisher nicht der Clusterung, also der Überprüfung auf Ihre Eignung für die Daseinsvorsorge unterworfen wurden. Viele von Ihnen sind ungünstig geschnitten, dienen oder bedürfen der Arrondierung, also der Abrundung des Grundstückzuschnitts. Sie wurden lange für schwerlich oder nicht entwicklungsfähig gehalten. Gleichwohl machen sie 280.000 m² (Stand 2020) aus und damit etwa 7 % der im Treuhandvermögen der BIM[1] befindlichen und damit noch zu entwickelnden Flächen.

Die Studie ist eine Weiterführung der gemeinsamen ArtCityLab-Publikationen, bei denen es zunächst um die Schaffung von bezahlbaren Arbeitsräumen für Künstler:innen ging. Hierbei stellte sich schnell und nicht sonderlich überraschend heraus, dass ein entscheidender Hebel der Zugang zu günstigem Grund und Boden ist.


Transparent machen: welche Flächen stehen wem, für welche Nutzung, zur Verfügung?

Das Ziel der Studie ist die Erschließung von neuen Flächen für gemeinwohlorientierte Nutzungen im Land Berlin generell, also neben Kunst und Kultur auch für Soziales, Bildung, besonderes Wohnen et cetera. Im Zentrum der Studie steht der Anspruch eines transparenten und nachhaltigen Umgangs mit den Berliner Liegenschaften, sowie das Transparentmachen der Berliner Liegenschaftspolitik in Bezug darauf, welche Flächen wem, für welche Nutzung, in welchem Fachvermögen zur Verfügung stehen. Ein Resultat der Studie ist ein Stück weit die veränderte Sicht der Berliner Liegenschafts- und Stadtentwicklungspolitik auf Orte jenseits einer primär ökonomischen Verwertungslogik.


7 % der Fläche des Treuhandvermögens sind „Splitter- und Arrondierungsflächen“ (Stand: 2020)


Urbane Optionsflächen – eine neue Flächenkategorie für gemeinwohlorientierte Nutzungen in Berlin


Mit der Studie wurde auch formal eine neue Flächenkategorie geschaffen, die es dem Land Berlin nun erlaubt, gemeinwohlorientierte Nutzungen aus den oben umschriebenen Bereichen nachhaltig zu sichern, in dem diese in einen extra Pool geclustert oder zugeordnet werden können.

Im Rahmen einer zukunftsgerechten Stadtentwicklung, die auf ökologische Transformation und soziale Nachhaltigkeit ausgelegt sein muss, bilden urbane Optionsflächen somit ein neues Konzept und Werkzeug für die Unterstützung einer gemeinwohlorientierten Raumproduktion.

Urbane Optionsflächen sind Ergebnis eines umfassenden Bewertungsprozesses kommunaler Liegenschaften, welcher einzelfallspezifisch landeseigene Flächen in gemeinwohlorientierte Nutzungen überführt. Die Suche nach urbanen Optionsflächen erfordert eine zielgerichtete Vorgehensweise in der Erkundung landeseigener Liegenschaften und verlangt eine konsequente Ausweitung der operativen Möglichkeiten zur Evaluierung und Vergabe solcher Flächen.



Das Clusterungsverfahren


Vorgeschlagenes Clusterungsverfahren mit Potenzialprüfung.


Fokus der Folgestudie Urbane Optionsflächen II: Entwicklung eines Regelverfahrens


Die derzeit laufende Folgestudie zur Qualifizierung und Vergabe von urbanen Optionsflächen fokussiert sich auf die Etablierung eines kooperativen Regelverfahrens für die Berliner Verwaltung im Austausch mit der organisierten Zivilgesellschaft. Sie wird Anfang 2024 vorliegen und ist in Ihrer Form weniger an eine breitere Öffentlichkeit als an die Verwaltung gerichtet sein.

Durch die erste Studie und die in ihr entwickelte neue Flächenkategorie konnten in 2023 erste Flächen mit „Verdacht auf urbane Optionsflächen“ kategorisiert werden. Derzeit gibt es ca. 30 Verdachtsflächen, von denen etwa sechs Flächen von der Projektgruppe zur vertiefenden Betrachtung in einem nächsten Betrachtungsschritt in 2024 der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vorgeschlagen werden.


Dieses Vorgehen wurde in einem Expert:innenworkshop zwischen Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Kultur sowie Vertreter:innen der Zivilgesellschaft entwickelt. Hierbei lassen sich Flächen für unterschiedliche Nutzungen identifizieren, die zeitlich auch in Abfolge stehen können. Vieles ist denkbar: Die Nutzung einer Mikrobrache im Sinne von dezentralem Wassermanagement der Schwammstadt als strategische Versickerungsfläche. Kleine Flächen, die bereits in Nutzung der Anrainer:innen sind und lediglich gesichert und niedrigschwellig formalisiert werden sollten. Flächen, die wegen der Größe, der Lage oder wegen des Zuschnitts einer temporären Nutzung in der Art der Urbanen Praxis zugeführt werden sollen. Oder die Nutzung von Flächen für Gebäude mit besonderen Wohnformen oder anderen Nutzungen. Wichtig zu beachten ist, dass es sich bei diesen Flächen nicht umsonst um Restflächen handelt, haben Sie doch in aller Regel Restlasten, sind als Ausgleichsflächen in Bebauungs- oder Flächennutzungsplänen ausgewiesen. Das Upcycling solcher Flächen bedarf also der professionellen und gleichzeitig nutzungsspezifischen Sichtweise, getrieben von einem Suchen nach dem ermöglichenden Ja-Wenn, welches sich nicht abschrecken lässt von vorschnellen Aussagen, warum etwas nicht geht. Aus diesem Grund ist an diesem Punkt die Kooperation mit der Zivilgesellschaft und den potenziellen Nutzer:innen wichtig.




Gleichzeitig kann das Konzept nur funktionieren, wenn es nicht gleich im Keim von überbordenden Erwartungen überfrachtet wird. Daher schlagen wir vor, mit ca. 5 bis 6 Pilotflächen unterschiedlicher Nutzungsperspektive zu starten, welche z. B. im Rahmen einer IBA prototypisch entwickelt werden sollen.

Darüber hinaus ist die digitale Aufbereitung und Verfügbarmachung in GIS-kompatiblen Datenformaten entscheidend, um unterschiedliche Akteur:innen im Land Berlin die Betrachtung möglichst niedrigschwellig und zielgerichtet zu verschiedenen Zeitpunkten zu ermöglichen. Hier ist die Überlagerung unterschiedlicher Betrachtungsebenen interessant, schaut man etwa auf Karten, die Klimaschäden prognostizieren, wie z. B. zu erwartende Gefahrensituationen aufgrund von Starkregenereignissen oder einen Hitzeinsel-Atlas. Der Projektfortschritt könnte am Runden Tisch Liegenschaftspolitik überprüft werden.


Grundsätzliche Lehren aus der Studie


Ein wichtiger Aspekt bei der Erschließung künftiger Raumpotenziale ist die Sensibilisierung der Liegenschaftspolitik für nachhaltige und innovative Nutzungen. Hierbei geht es darum, die Liegenschaftspolitik für die Bedürfnisse der Stadtgesellschaft zu öffnen und die Perspektive der Nutzenden bei der Erschließung von Flächen zu berücksichtigen. Erst die konsequente Einnahme dieser Perspektive ermöglicht die Adaption ungenutzter Liegenschaften und die Entwicklung neuer Konzepte für die nachhaltige Gewinnung und Nutzung des städtischen Raums.

Darüber hinaus ist ein weiterer zentraler Aspekt bei der Erschließung künftiger Raumpotenziale die kooperative und ernstgemeinte Zusammenarbeit zwischen der Stadtverwaltung und der Zivilgesellschaft auf professioneller Ebene mit klarer Zielstellung und Priorisierung. Die Studie hat gezeigt, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Gruppen notwendig ist und fruchtbar sein kann, um die Bedürfnisse der Stadtgesellschaft zu berücksichtigen und so am Ende eine nachhaltige, klimagerechte und soziale Stadtentwicklung zu fördern.


 

 Fußnoten

[1] Das Treuhandvermögen Liegenschaftsfonds (THV) befindet sich nach Einschätzung der Autoren im Finanzvermögen (3 % Stand 2021, siehe Grafik S. 23)


 

Über den Autor


Dr. Martin Schwegmann ist Architekt und Stadtforscher; Autor und Moderator von kollaborativen Stadtprozessen. Von 2017 bis 2023 war er Atelierbeauftragter für Berlin im Kulturwerk des bbk berlin.

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